welt am sonntag: der bentley unter den metzgern

Neulich in Berlin. Eine Mutter fragt ihren Sohn, der in Hamburg wohnt, was er sich zum Geburtstag wünscht. Die Antwort ist lustig und doch ernst gemeint: "Eine Tüte Beisser, bitte!"

Claas Rudolf Habben freut sich sichtlich, als man ihm diese Geschichte erzählt. Solche Situationen bestätigen dem 35jährigen in dem, was er mit seiner ein Jahr älteren Schwester Eltje Helene Felbier leistet.

In sechster Generation führen sie Beisser fort, Hamburgs älteste Metzgerei. Geplant war das nicht. Er hatte eine Metzgerlehre absolviert und in Berlin BWL studiert, war im Lebensmittel-Handel, etwa für Tengelmann in Spanien. Seine Schwester hatte ebenfalls Wirtschaft studiert und machte Karriere im Marketing bei Engel & Völkers.

 

Tradition, Handwerk, Qualität

 Doch 2008 beschlossen die Geschwister, entgegen ihrer eigentlichen Pläne, das Familienunternehmen vor der Insolvenz zu retten. Sechs Jahre zuvor hatte ihr Vater Redelf Habben seinem Cousin die Anteile am Familienbetrieb abgekauft und einen Interims-Geschäftsführer eingesetzt, auch in der Hoffnung, dass die Kinder eines Tages einsteigen würden. Er selbst führte ja eine renommierte Arztpraxis in Kiel.

"Der Name Beisser war etwas in Vergessenheit geraten", beschreibt Claas Habben die ersten Überlegungen. " Aber wir haben alles, was eine gute Marke ausmacht: Tradition, Handwerk, Qualität." Und nun auch wieder Chefs mit der notwendigen Energie, etwas daraus zu machen.

Begonnen hatte alles 1836. Damals gab es sogenannte "Schlachterblöcke", die nur vom Sohn auf den Vater vererbt werden konnten. Doch nach dem napoleanischen Krieg waren viele dieser Blöcke im wahrsten Sinne verwaist, und der Senat beschloss, sie neu zu vergeben. Und so kam es, dass in jenem Jahr ein gewisser Georg Christian Beisser aus dem Baden-Würtembergischen Calw den "Block 28" in der Spitaler Straße übernehmen konnte. Das zukünftige Stammhaus.

Das Geschäft florierte, denn er verkaufte auch an Krankenhäuser und öffentliche Einrichtungen. Der Betrieb expandierte, behauptete sich in allen wirtschaftlichen Widrigkeiten, nach dem Zweiten Weltkrieg lagen allerdings sowohl die Fabrik als auch die Geschäfte in Schutt und Asche. Und auch der Erbe Heinrich Beisser war im Krieg gefallen. 1952 übernahmen die drei Schwestern Beisser, eine davon, Elisabeth Habben, ist die Großmutter der heutigen Geschäftsführer. Sie eröffneten nicht nur den Standort Spitaler Straße wieder, sondern auch Filialen in Blankenese, Ottensen und Eppendorf.

Als sich abzeichnete, dass er der Familientradition doch folgen würde, hängte Claas Habben noch eine Meisterlehre dran. Mit dem Klischeebild von einem Schlachter (das Wort ist heute eh verpönt) hat er so viel gemeinsam wie ein Nackenkotelett mit einem Kobe-Filet. Er versteht sich als Unternehmer, spricht von einer "Marke", die er aufbauen will. Vorbilder sind Unternehmen wie Käfer in München oder die Metzgerei Meyer in Frankfurt. Also die Kombination von Qualität mit Lifestyle.

Das Ambiente der Geschäfte (schwarze Arbeitsflächen, Holztische und weiße Keramikfliesen) ist für ihn und seine Schwester, die grad Elternzeit nimmt, so wichtig wie das perfekte Fleisch. 

 

"Wir sind nicht der typische Metzger"

Die Ware wird in schwarzes Papier verpackt, dem Filet wird obenauf automatisch mindestens eine frische Rispe Rosmarin beigelegt. Die Verkäufer kennen sich aus, beraten und erklären, selbst wenn die Schlange länger wird. Erstaunlicherweise führt das selten zu Unmut. Was damit zusammen hängen mag, dass die meisten Kunden ganz gezielt kommen.

"Wir sind nicht der typische Metzger, wie man ihn vielleicht aus Süddeutschland kennt. In Norddeutschland gibt es diese Kultur nicht. Das Problem, das es in Hamburg kaum noch Metzger gibt, haben sie überall im Norden. Man kauft Wurst und Fleisch im Supermarkt." Die Habbens besetzen ganz bewußt eine Nische. "Wir konzentrieren uns auf hochwertige Produkte. Unser Schwerpunkt ist nicht Bio, auch wenn wir u.a. mit einem Demeter-Hof zusammenarbeiten. Im Vordergrund steht für uns artgerechte Aufzucht, das ist Standard. Ich möchte einfach das beste Steak verkaufen."

Ist Beisser also eher Hermès als H&M? "Genau, man muss merken, warum wir teurer sind als andere. Gutes Fleisch zu bekommen, bedeutet mehr Zeit und Aufwand bei der Aufzucht und Herstellung. Ein Bentley ist auch nicht so schnell zusammen geschraubt wie ein Golf."

Der Unternehmer kümmert sich intensiv um die Bedingen, wie Landwirte ihre Tiere versorgen – und vor allem wie sie schlachten. "Viele wissen nicht, dass sich 50 Prozent der Qualität beim Schlachten entscheiden. Wir können ein Tier mit Bio füttern und das ganze Leben lang streicheln – wenn es am Ende geschlachtet wird wie ein Discounter-Schwein, war alles umsonst." Genau diesen Punkt regelt das Bio-Siegel nicht. "Ein Lidl-Schwein wird genauso geschlachtet wie ein Bio-Schwein."

Daher: Premium statt Bio. Dieses Beisser'sche Siegel gilt für alle Standorte mit insgesamt 38 Mitarbeitern. Gleichwohl sind die Sortimente unterschiedlich. "In Eppendorf scheint häufiger die Sonne", sagt Habben schmunzelnd. "Daher haben wir dort mehr Rinderfilet in der Kühltheke." Dennoch ist auch ihm klar: "Ernährung hat sich zu seiner Zwei-Klassen-Gesellschaft entwickelt. Am Ende geht es um die Frage, was kann und wie viel will ich für gutes Fleisch ausgeben."

Offenbar immer mehr. Der Premium-Markt wächst. Der Fleischer gilt als erste Adresse für feinstes Fleisch (wobei die Erbensuppe, das Chili und und die Frikadellen eigentlich nicht unerwähnt bleiben dürfen.) Zum einen sind es Kunden, die ganz gezielt kommen, weil sie ganz bewusst einkaufen, zum anderen ist es eine zunehmende Zahl von anspruchsvollen Hobby-Köchen, die für das besondere Gericht am Wochenende nicht Discounter-Hack wollen.

Doch stellt auch Habben fest: "Im Restaurant zahlen Leute anstandslos 30 Euro für ein mittelmäßiges Filetsteak, beim Schlachter wundern sie sich über den Preis." Aber die Bewusstseinsänderung, dass hochwertiges Fleisch nicht billig sein kann, nehme zu. "Der Wertewandel kommt uns zu Gute. Auch, dass sich die Statussymbole verändern. Freunde von mir fahren Car2go und geben ihr Geld lieber für tolles Essen aus."

Wie aber begegnet er dem Fleisch-Bashing, dem Trend etwa zum Veganen? Er hat dafür Verständnis. Denn für ihn ist das ein deutlicher Ausdruck von Protest gegen Massentier-Haltung. "Vielleicht führt das zusammen mit dem Gesundheitsbewusstsein ja dazu, dass irgendwann nur noch artgerechtes Fleisch zur Verfügung steht." Und er erzählt von seinem Vater, der zum ersten Mal Rinderfilet gegessen habe, als seine Kinder die Firma übernommen hatten. So etwas Feines gab es früher nicht.

Geselligkeit, mit Freunden an einem langen Tisch sitzen und zum Stück Rinderfilet ein Glas Rotwein trinken. Das ist für Claas Habben Savoir Vivre. Dafür muss man nicht nach Frankreich. Mit der Rolltreppe in die 4. Etage des Alsterhaus reicht auch. Im Bistro sind nicht nur Samstagmittag alle Tische besetzt…

 

Text: Oliver C. Schilling

Foto: WAMS

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