Davon ein Rib-Eye-Steak, „medium rare“ gebraten, zählt zu Habbens Leibgerichten. Wenn der 34-Jährige über Fleisch redet, erlebt man seine große Fachkenntnis, aber auch Leidenschaft für seine Profession. „Wir haben unseren Nutztieren gegenüber ethisch eine Verpflichtung, das Beste aus ihnen zu machen. Ein gutes Fleisch ist wie ein rahmengenähter Schuh oder gut gereifter Wein.“ Viele Komponenten müssten stimmen. „Nur wenn Tiere lebenslang gut behandelt werden, ergeben sie auch ein gutes Produkt, das schmeckt“, weiß Habben aus Erfahrung. Diese Philosophie ist zugleich Leitprinzip: „Regionalität, eine artgerechte Haltung, natürliches Futter sowie kurze Transportwege zum Schlachter sind für uns eine selbstverständlichkeit.“ Damit dies auch stimmt, besucht er regelmäßig die Höfe seiner Lieferanten. Habben ist gelernter Metzgermeister und leitet mit seiner Schwester Eltje Helene Felbier, 35, seit sechs Jahren die Hamburger Fleischerei Beisser. 1836 gegründet, führen sie das Traditionshaus in nunmehr sechster Generation. Das Geschwisterpaar, das in Kiel ufgewachsen ist, hat aus dem Hamburger Familienunternehmen Beisser einen Betrieb auch für Gourmets von Fleisch gemacht – und damit den Kundenstamm deutlich erweitert. Neben den Geschäften in Eppendorf und Ottensen sind sie im Alsterhaus vertreten. Mit ihrem Engagement gehören sie zu den Mutigen ihrer Zunft. Denn das Fleischerhandwerk schrumpft. Gab es in Hamburg in den 1950er Jahren noch mehr als 1000 Fleischer, so sind es heute nur noch rund 70 Betriebe. „Jedes Jahr geben bundesweit etwa fünf Prozent der Läden auf“, sagt Michael Durst, Obermeister der Fleischerinnung Hamburg und Vizepräsident des Deutschen Fleischer-Verbands (DFV). So gibt es bundesweit noch 14.372 Betriebe, die rund 145.700 Mitarbeiter beschäftigen. Gut jeder dritte Betrieb hat mehrere Filialen. Hintergrund für den Aderlass ist zum einen das veränderte Einkaufsverhalten, aber schlichtweg auch Nachfolgesorgen. „Viele Betriebe müssen aufgeben, da ihnen der Nachwuchs fehlt“, so Durst. Das Fleischerhandwerk sei ein arbeitsintensives Gewerbe, in dem 60-Stunden-Wochen für Inhaber keine Ausnahme sind. Um einen Laden zu modernisieren, seien zudem 300.000 bis 400.000 Euro an Investitionen notwendig, doch Kredite sind dafür bei Banken nicht immer leicht zu bekommen. Hinzu komme, dass der Fleischverzehr bundesweit sinke, zuletzt auf 59,5 Kilogramm pro Kopf. Dass die Geschwister den Familienbetrieb heute führen, entspringt ebenfalls fast einem kleinen Wunder. Eigentlich befand sich Claas Rudolf Habben gerade auf dem nächsten Sprung seiner internationalen Karriere. Nach Fleischerlehre und BWL-Studium war er zum Vertriebsgeschäftsführer bei der Lebensmittelkette Plus in Spanien aufgestiegen und zuletzt als Referent des Geschäftsführenden Gesellschafters der Tengelmann-Gruppe beschäftigt, als ihn 2008 der Anruf seines Vaters Redelf erreichte. Redelf Habben ist der Ururenkel des Gründers, arbeitet als Arzt und führte die Fleischer Beisser damals nur als Interimschef. Er fragte seine vier Kinder, ob sie das Familienunternehmen fortführen wollten. Andernfalls würde es verkauft. Beisser schrieb damals rote Zahlen. „Die Zahlen waren sehr schlecht, der damalige Betrieb im Schick der 1990er- Jahre hatte keine Zukunftsperspektive“, erzählt Habben. Doch dann ging er erneut in sich, prüfte die Finanzen mit der Hilfe seines älteren Bruders, eines Steuerberaters, und machte sich Mut für das Abenteuer: „Beisser ist ein toller Name mit wunderbarer Tradition. Es ist eine Perle, die abgestaubt werden musste.“ Nur ein Jahr später stieß auch seine Schwester Eltje Helene Felbier dazu, mit der er sich schon in Kindertagen bestens verstand. Die Betriebswirtin und Immobilienkauffrau war kurz davor, für Engel & Völkers nach New York überzusiedeln. Doch dann entschied sie sich, das große Abenteuer mit ihrem Bruder anzugehen, Beisser neu aufzustellen: „Jetzt oder nie. Ärmel hochkrempeln für die Tradition und den Traum der Selbstständigkeit.“ Zunächst brauchten die Läden eine Renovierung, ja einen komplett neuen Auftritt, den sie gemeinsam mit befreundeten Werbern der Agentur Mutabor entwickelten. Herausgekommen ist eine ästhetische Mischung aus Tradition und Moderne. Mit Liebe zum Detail. Als Tische in den Bistros verwenden sie Schlachterblöcke, traditionelle schwarz-weiße Kacheln zieren den Fußboden, ein warmes Erdgrün die Wände und die Angebotstafeln sind handgeschrieben. Die Grillstationen sind gläsern, das Fleisch ist appetitanregend drapiert. „Das Design soll unsere Liebe und Wertschätzung auch für das Handwerk widerspiegeln“, sagt Felbier. „Wir selbst schlachten nicht, sondern zerlegen und veredeln.“ Der Kern ihres Erfolgs liegt aber wohl auch in der Positionierung, als hochpreisiger Anbieter, der auf beste Qualität setzt. Das Stück Rind, Schwein oder Geflügel kostet entsprechend mehr als in Supermärkten. „Wir kalkulieren anders. Wir schauen, was das Produkt bei der Herstellung gekostet hat und legen danach den Preis fest“, sagt Habben. Kein Bauer soll schlechtes Futter verabreichen müssen, um Kosten zu senken. „Bio“ als Siegel sei für Habben nicht entscheidend, „sondern vielmehr der immer artgerechte mgang, der beste Fleischqualität möglich“ mache. Allein bei den Steaks kann man zwischen acht verschiedenen „Cuts“ wählen – also je nachdem aus welchem Stück des Rinderrückens sie stammen – vom Entrecote über Porterhouse bis zur Filetspitze. Dabei versucht Habben über das Futter eine gute Marmorierung des Fleisches zu erzielen. „Je mehr Fett die Muskeln durchzieht, desto besser und teurer ist das Fleisch.“ Das Fleisch in ihren Auslagen stammt überwiegend von Rindern, Kälbern, Lämmern und Schweinen aus der Region, die bei rund 50 Bauern in Schleswig-Holstein und Niedersachsen aufwachsen und von Habben ausgesucht werden. Es sind kleine Familienbetriebe, die ihren Tieren viel Platz in den Stallungen und gesundes Futter geben. Bis zu drei Jahre grasen die Färsen und Bullen auf den Wiesen. Die Milchkälber erhalten vier Monate ausschließlich Muttermilch. Die Lämmer weiden auf den salzhaltigen Wiesen der Nordseedeiche. Eine schonende Schlachtung ist besonders wichtig, einige Rinder werden von den Bauern bis zur letzten Minute beim Schlachten persönlich begleitet, sagt Habben: „Die Tiere dürfen keinen Stress beim Schlachten haben, damit kein Adrenalin ins Fleisch dringt.“ Mit ihrem Konzept haben sie den Laden schon in kurzer Zeit profitabel gemacht. „Der Umsatz hat sich seit 2009 verdreifacht. Nach nur zwei Jahren haben wir Gewinne geschrieben“, sagt Habben stolz, ohne konkrete Zahlen zu nennen. Wohlhabend werde man zwar nicht, aber es reiche für ein gutes Leben und für die Beschäftigung von 34 Mitarbeitern. „Wir arbeiten beide für zwei, haben dafür aber unsere Hobbys zum Beruf gemacht.“ Zugleich treffen sie auf den Trend, dass immer mehr Menschen beim Essen wieder mehr Wert auf Qualität legen. „Unsere Kunden essen lieber dreimal in der Woche gutes Fleisch als täglich minderwertigeres“, ist Felbier überzeugt. Stark zum Geschäft tragen der Bistro-Bereich und das Catering bei, das von Eltje Helene Felbier gemanagt wird. „Organisieren von Events war schon immer meine Leidenschaft“, sagt Felbier. Veranstaltungen bis 2000 Personen sind für sie Alltag – wie jüngst die Crew-Verpflegung bei der Taufe von „Mein Schiff 3“. Aber auch Barbecue auf Firmendächern oder Mehr-Gang-Menüs für Firmenessen für ein paar Dutzend Mitarbeiter gehören zu den beliebten Standardangeboten. Zudem bieten sie Fleischverkostungen als besonderes Event an, die von Habben moderiert werden, der sich selbst mit einem Augenzwinkern als „Fleisch-Sommelier“ bezeichnet.Die beiden setzen auch aufs Internet. Ihr Fleisch befördern sie per Kurier über Nacht in alle Teile der Republik per Express in Kühlboxen –mit stetig steigender Nachfrage. „Das Premiumsegment bei Lebensmitteln bietet im Internet gute Chancen, da es von der Glaubwürdigkeit der Anbieter lebt.“ Darüber hinaus haben sie ein eigenes Gewürzsortiment und bieten von deutschen Weinen bis Holzbrettern von einem Hamburger Tischler alles, was zu einem guten Fleischgericht dazugehört. Eine Expansion ist geplant, jedoch vorerst nur in Hamburg. Konkretes verraten die gut gelaunten Geschwister noch nicht, nur soviel, sagt Felbier: „Wir sind hungrige Vögel, die noch nach vielen Würmern suchen.“
Text: Beate Kranz